NOVEMBER 2016

Einführung:

 

Hans Lankes: Messerschnitte

 

Ich wollte ja eigentlich diese Geschichte nicht erzählen, lieber Hans, weil sie in allen Eröffnungsreden über dich vorkommt, aber sie ist zu schön, um nicht erzählt zu werden:

 

Mitte des 18 Jahrhunderts musste Frankreich rigoros sparen und der Finanzminister Etienne de Silhouette tat das so heftig, so  dass er nach einem halben Jahr wieder abgesetzt wurde. Ihm wurde nachgesagt, so sparsam zu sein, dass er sein Schloss mit den damals gerade in Mode kommenden Scherenschnitten statt der teureren Ölschinken schmückte.

 

Doch dem Scherenschnitt haftet heute ein biedermeierlich spießiger Geruch aus dem 19. Jh an, und damit haben Hans Lankes Arbeiten, seine Messserschnitte, nun wirklich nichts zu tun. Doch:

 

Auch Hans Lankes spart ein: er spart die teuren Farben, er spart Pinsel, Stifte, Federn, Tusche.

 

Er  spart Meissel, Hammer, Marmor, er spart Schleifpapier und Radiergummi, Grundierung und Firnis.

 

Nicht dass er sich begnügt-  nein: er spart ein, um sich zu konzentrieren auf das Wesentliche, ein Bogen Papier, ein Messer und die Entschlossenheit zur Entscheidung: Null oder Eins? schwarz oder weiss? Fläche oder Aussparung?

 

In dieser klaren Welt  des Entweder - Oder muß man Stellung beziehen, es bleibt kein Platz für ein Lavieren, weg ist weg.

 

Diese Entscheidungen trifft Hans Lankes spontan im Arbeitsprozess , denn nach der Entwicklung der generellen Bildidee - im konzentrierten Schneiden -  gerät man in eine Art meditativen Zustand des automatischen Tuns, ein Zustand,  der, so fokussiert er ist, gleichzeitig  geistige Weite erzeugt und wo nicht das bewusste Ich allein das Messer führt.

 

Wie der Rhythmus eines Schlagzeugers aus Fleisch und Blut bei aller Präzision immer beseelter klingen wird als ein Schlagzeugcomputer, so ist auch die von Hand ohne Lineal gezogene Linie ein vielleicht nicht sichtbar, aber spürbar lebendigeres, atmendes Ausdrucksmittel.

 

 

 

Als ein immer schon Zeichnender ist er der Grafik, der Linie zugetan und von weitem könnte man seine Werke für große Tuscharbeiten halten. Erst beim Näherkommen erschließt sich die Körperhaftigkeit des  Papiers, eine Körperhaftgkeit, die auch konzeptionell angelegt ist: denn jede  der Arbeiten ist wirklich ein zusammenhängender Papierkörper   – so wie eine Skulptur trotz aller Durchbrüche ein Stück bleibt.

 

Hans Lankes hat uns Arbeiten aus verschiedenen Serien mitgebacht : In Architektur und Landschaft übersetzt er Raum und Perspektive  in Fläche, in der Serie der Mensch - Tier - Kombinationen ist er noch radikaler, plakativer, keine Tricks, ganz reduziert auf die Bildidee, trotzdem mit vielen Details, die erst beim genauen Hinsehen augenscheinlich werden.

 

 

 

Doch was zeigt uns Hans Lankes so scharf  umrissenen?

 

Sind es Träume, sind es Allegorien? Ist es Philosophie oder sind es biografische Notizen?

 

Sind die Tiere Gedankenmanifestationen des Trägers, sind sie Totems, sind sie Ausdruck einer inneren Persönlichkeit?

 

Hans Lankes überlässt uns weitgehend unseren eigenen Assoziationen, gibt uns Anstöße in seinen Titeln, äußert sich aber sonst bewusst nicht so ausführlich über seine Inhalte, er will unseren Blick darauf nicht lenken oder einengen..

 

Doch wie er Menschen, Tiere,  Dinge  kombiniert, lässt uns innerlich  Geschichten erfinden, um die oft absurden oder irgendwie irritierenden Paarungen für uns selbst zu erklären – um die nach innen gewandten Züge der Gesichter zu lesen -  jedoch -  ein Rätsel bleibt, das in uns nachwirkt - und so soll es auch sein.

Sigrid Kofler, November 2016

 

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