Fotos von der Vernissage am 5. April  2018:


Eröffnung durch Sigrid Kofler

Die Galerie20gerhaus setzt sich in der programmatischen Auswahl immer wieder weitgefasste Schwerpunkte, in diesem Jahr ist die Fotografie als Ausdrucksmittel in sehr verschiedenen Kontexten einer unserer Schwerpunkte.

So freue ich mich, heute Christine Wawrinek und ihre Arbeiten vorstellen zu können.

Christine Wawrinek ist in Ried geboren, sie hat ein paar Jahre in Salzburg und in Graz gelebt und wohnt seit vielen Jahren wieder im Innviertel, in Utzenaich . Sie hat sich immer schon mit Kunst und  Design beschäftigt, mit der Liebe vor allem zum Textilem Design, seit vielen Jahren ist sie auch gemeinsam mit ihrem Mann Franz als Grafikdesignerin in Utzenaich  tätig.

Sie ist Gründungsmitglied der Gruppe Kunst:Dünger, die seit 2001 mit programmatischen Gruppenausstellungen in der Region auftritt, bei denen sie sich immer mit sehr poetischen Installationen , Objekten und Videos beteiligt hat und ist Mitglied der Musikgruppe Pulsatilla D5, die heute unsere Vernissage klanglich begleitet.

Sie ist langjährige Freundin im Kreis des 20gerhauses, seit 2 Jahren unverzichtbar im Vorstand aktiv, darüber hinaus  gestalten sie und Franz fürs 20gerhaus alle unsere Grafik , dafür ein großes Dankeschön an dieser Stelle.

Christine zeigt heute hauptsächlich eine Serie von fotografischen Arbeiten des letzten Jahres unter dem Titel Expanding Moments.

 

Expanding Moments – sich ausdehnende Momente. Was ist ein Moment, ein Augenblick, die Gegenwart?

Momentum im lateinischen bezeichnete die Dauer einer Bewegung. Die Empfindung eines Augenblicks ist nur denkbar im Kontext unserer inneren Zeiterzählung, die von der erinnerten Vergangenheit in eine imaginierte Zukunft führt.

Ein Moment  bezeichnete ursprünglich auch eine mittelalterliche englische Zeiteinheit mindestens 500 Jahre lang bis zur Erfindung der mechanischen Uhr im 13. Jahrhundert, definiert als vierzigstel einer Sonnenstunde dauerte sie im Schnitt 90 Sekunden, also eineinhalb Minuten. Die heutige Neurowissenschaft bezeichnet als wahrgenommene Gegenwartsdauer eine Zeitspanne von 3 Minuten, also 2 alte englische Momente. Wenn es darum geht, zwei Ereignisse optisch als getrennt wahrzunehmen, sind das beim Menschen, wie wir vom Film wissen, unter 30 Lichtreize pro Sekunde. Vergleichen wir uns hier mit anderen Tieren, ist die Spannweite sehr groß. Raubvögel lösen bis zu 180 Bilder pro Sekunde einzeln auf, die Schnecke nur zwei. Wie unterschiedliche optische Lebenswelten. Auch uns können Momente lang oder kurz vorkommen, je nachdem, ob wir mehr oder weniger Reize in diesem Moment verarbeiten müssen, wird uns die Zeit lang oder kurz. Darüber hinaus können Drogen, mystische Erfahrungen, Musik, Tanz und Spiel das Zeiterleben sogar ganz aufheben und ein Gefühl der Zeitlosigkeit, Ewigkeit oder Leere erzeugen.

 

Christine Wawrineks Arbeiten hinterfragen experimentell und spielerisch unsere Vorstellung der Zeit und ihres Verhältnisses zur optischen Realität. Sie dekonstruiert das aufgenommene reale Bildmotiv mehrfach:

Durch die Auswahl, die formal und nicht kontextual ist, d.h. das Bildergebnis und nicht die dahinterliegende Realität stehen im Fokus, durch den fotografischen Blick durch ein Prisma, der mit Brechungen, Spiegelungen und Unschärfen unsere optische Wahrnehmung verwirrt, durch fotografieren des Fotografierten oder durch die Verwandlung in ein dreidimensionales Textiles Objekt fügt sie eine weitere verfremdende Ebene hinzu.

So in die Irre geführt durch ungewohnte Seherlebnisse sucht unser Hirn nach Interpretationen und  bietet uns Assoziationen, die aber oft vage und schwer einzuordnen sind. Man taucht in die Bildwelten ein und der Moment des Betrachtens kann sich meditativ ausdehnen. Expanding Moments.

 

Søren Kierkegaard hat gesagt: „Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren.“

 

Neben den Fotoarbeiten zeigt Christine zwei Objekte, sie sind sowohl textil als auch fotografisch, könnte man sagen und sind gute Beispiele auch für den Witz, der oft in den Arbeiten von Christine

hervortritt. Ich hoffe, sie verbringen noch etliche alte englische Momente mit den Arbeiten von Christine und mit uns hier im 20gerhaus.

 

Sigrid Kofler  April 2018