leichtes gepäck

Thomas Wiederkehr, Sankt Marienkirchen a.H., Stein, Karton 

 

Einführung Ines Höllwarth 

 

www.atelier-pilgersham.at

 

 

 

Thomas Wiederkehr

leichtes Gepäck“ 2007

Reisenotizen aus Karton und Stein

 

A Reisenotizen: Zeichnungen, Farbfotos

B Steinobjekte: Sieb, Raspel

C Export – Import

D Missing links

E Reproduktionskoffer

F eating som o

 

A Reisenotizen

Unter dem Begriff Landnahme entstehen die Reisenotizen von Aufenthalten und Zwischenstopps in fremden Ländern und an fernen Meeren.

Es sind Naturstudien in Kreide, Bleistift und Tusche. Ihre grafische Wiedergabe zeugt von genauer Beobachtung und einem sich Hineinversenken in die Materialität des erreichten Landes. Gleichzeitig ist es die Suche nach Zielen. Eine Reise birgt auch den Wunsch nach Veränderung an sich. Die Hingabe des Schauens fordert auch den Betrachter zum Verweilen – auch in der Galerie –

Die Formen der Flora und Fauna sind Kostbarkeiten und Erinnerungen an Zurückgebliebenes und Vergängliches.

Farbfotos aufgeschwemmter Zivilisationsgüter – geblieben sind kleine, bunte Plastikteilchen, die deutbar oder rätselhaft bleiben.Abgelegt im Sand oder schwimmend sind sie Botschaften des Jetzt im Zeitlosen.

Leichtes Gepäck ist Triviales, Philosophisches, Fundamentales und Ästhetisches, Werkgruppen eines Steinbildhauers, das Zurücklegen eines Weges – ein Symbol für den Lebensweg.

 

B Zwei vertraute Steinobjekte begleiten den Einstieg in die Absicht der gesamten Werkgruppe.

Ein Sieb und eine Raspel, überdimensional in den Proportionen knüpfen sie an die von 1996 – 2000 entstandenen Gerätschaften an. Sie schreiben sich fortschreitend in Thomas Wiederkehrs Ouvre ein.

Sieb und Raspel sind Sinnbilder eines archäologischen Prozesses, den der Künstler an sich selbst vornimmt.

Freilegen und sortieren, herausschälen, schürfen und Form geben sind der stetige Arbeitsablauf, der sen Leben prägt.

Ein mythologisches Gerät, ein flacher Dreizack aus Kalkstein leitet zu seinen neuen Exponaten über.

 

C EXPORT IMPORT

Aufgeklappte, kleinformatige Behälter aus Karton, mit feinen Papierschichten kaschiert, bergen rätselhafte etwa DIN A4 große Steine, die in diese passgerechten Hüllen eingearbeitet sind.

Die Objektgruppe erinnert an Sortiments für Professionisten, wie sie in Baumärkten oder Megastores angeboten werden.

Diese aufgeklappten Behälter sind aus Kartonagen hergestellt, arretieren die Steinobjekte und rufen gleichzeitig Erinnerungen an Schreine und Kultplätze vergangener Mythen wach. Die Augenweide erzeugt eine Rückkopplung im Gehirn: Neptuns Dreizack, ein Fischkiefer und ein Beil, ein Opfertisch, eine Weihestätte tauchen vor meinen Augen auf, Erinnerungen an Ausgrabungsstätten antiker Kulturen... Doch dann schließt der passgenaue Kofferdeckel aus Papier wieder alles ein – Import – Export ??? Auf Reisen oder angekommen?? Triviales und Mythologisches sind kongruent, Stein und Papier die Materialien einer Metapher.

Import und Export durchquert die Gedankengänge des Künstlers während der Arbeit, geht durch seine Hände, landet in der Galerie, irritiert und stellt Fragen.

 

D Missing links

Flügelartige weiße Tableaus zu einem Turmbau in Leichtbauweise gestapelt bewahren kleine Bruchstücke aus Granit und Marmor früherer monumentaler Arbeiten. Sie bilden Grundrisse archäologischer Situationen und imaginieren ferne Kulturen und längst vergangene Zeiten.

Durch Einschneiden und Herstellen von Negativformen durch Papierkaschierungen und weiße Farbe entstehen aus handelsüblichen Stapelkartons Schauräume für Miniaturen.Diese werkgruppe reflektiert sowohl die Erkenntnisse wissenschaftlicher Arbeit, die Gedankengänge eines Forschers als auch die Arbeitsweise eines Steinbildhauers.

Der nach längerem Herantasten an den Stein einsetzende Arbeitsprozess, - das Freilegen der eingeschlossenen Form aus dem Block – schafft eine meditative Grundstimmung, die den Gedanken Flügeln verleiht, da die Hand sicher und wie automatisch (aus dem Unterbewusstsein) arbeitet.

Der dabei entstehende Schuttkegel enthält nicht Abfall, sondern Gedankensplitter und die authentische Formensprache des Künstlers.

Die Ablagerung ist somit die Fundgrube der Missing Links und baut eine neue Gestalt aus dem Chaos. Ihr Ordnungsprinzip gleicht dem Tun des Archäologen.

 

Der übergeordnete Ausstellungstitel Leichtes Gepäck zeigt den organischen Arbeitsprozess des Künstlers af, der sein eigenes Tun hinterfragt und eine gelungene Werkgruppe nicht durch Wiederholung und Massenproduktion ausschrottet.

Bewahren und Freilegen, Retten und Neu euten von Relikten des eigenen Lebes spigelt sich in diesen Werkgruppen. Wesentlich ist das „Bei sich selber sein“ und den eigenen Fragestellungen Raum geben.

 

E Reproduktionskoffer mit Nest – Vogelei

Ein verschlossenen Papierkoffer, der zu einem Spielobjekt wird und auch die Besucher der Galerier zum Agieren miteinbezieht.

Fundstücke zu diesem Thema wurden so bearbeitet, dass sich im Tun des Öffnens und Schliessens – ein Filmriss abspielt, der sich durch Absurditäten und Reminiszenzen auszeichnet.

Auf surreale Weise kehren eigene Erlebnisse wieder und stellen gleichzeitig die Logik auf den Kopf. Symbole des Lebens – Abschied und Wiederkehr – Geburt und Tod finden in diesem Fragespiel eine Echo.

Die Ambivalenz von Bewegung und Sesshaftigkeit, von Ursprung und Fortpflanzung, von Ursache und Wirkung wird durch dieses Manipulationsobjekt ausgedrückt.

Der Koffer steht als Sinnbild des Reisens. Aber auch des Sammelns und Hortens der Relikte des eigenen vergangenen Lebens. Dieser Reproduktionskoffer wird zum Hort des Vogels, der sich Fortpflanzen will. Gefundene, präparierte Vogelnester mit kleinen Eiern gefüllt lösen Miniatur-Filmsequenzen aus.

 

F eating Som o

Ähnliches klingt im präsentierten Picknick aus Naturrelikten und Hölzernem Wegwerfbesteck des eidgenössischen Militärs an.

Es sind getrocknete Schalen der großen Thailändischen Frucht, genannt Som o, die ausgehöhlt und aufgegessen eine kulinarische Versuchsanordnung wiedergibt. Schale und Inhalt – das Wesentliche ist entfernt – einverleibt- das Innere der saftigen Frucht hat eine Stärkung gebracht.

Das Werkzeug zu diesem Prozess (Kleine hölzerne Gabeln und Messerchen) wirken hilflos und spotten dem Genuß. Stellt es den Lebensalltag in Frage? Reduziert es auf Verzehr?? Es lässt den Betrachetr mit Rätserln alleine, wenn er nicht am Mahl teilgenommen hat, wenn es nicht zu einem Gespräch kommt.

 

Diese werkgruppen repräsentieren viele Ebenen und stellen die Aufarbeitung eines erlebnisreichen Lebensabschnittes dar, der sowohl Rückblicke auf sich selbst, als auch die Dramatik des Tsunami durch eigenes Erleben und Reflektieren beinhaltet.

 

Juni 2007 Ines Höllwarth