die auflösung der zivilisation in wohlgefallen
Birgit Pec
Foto, Objekt, Installation
Eröffnung: Do. 11. Juni 20 Uhr
Dauer bis 11. Juli 2015
die auflösung der zivilisation in wohlgefallen
Birgit Pec ist in Salzburg aufgewachsen, 1980 ging sie nach Wien, absolvierte die Fachschule für Werbegestaltung und arbeitete im Bereich des Theaters und der soziokulturellen Animation auch im Sozialbereich. Seit der Jahrtausendwende trennen sich Beruf und Kunst immer mehr, seit 2006 lebt sie mit ihrem Mann, dem Schweizer Musiker Tom Aeschbacher in der Nähe von Mistelbach, wo sie gemeinsam das Atelier LIEBUNDBRAV betreiben.
Ihre Ausstellung hier im 20gerhaus nennt sie „die Auflösung der Zivilisation in Wohlgefallen“
Der Prozess der Zivilisierung beginnt unserem Verständnis nach mit der Entwicklung von Städten und Staaten, mit Spezialisierung und immer komplexeren sozialen Beziehungen und Regeln. Der Begriff der Zivilisation, im 17. Jahrhundert entstanden, geht - ganz im Sinne der Aufklärung - von einem zivilisatorischen Fortschrittsglauben aus und wird so bald auch zum geistigen Instrument des Kolonialismus im Sinne der Abgrenzung von der „Barbarei“ inklusive scheinheiliger Rechtfertigung von Zwangsmaßnahmen.
Das kommt uns heute nicht ganz unbekannt vor, wo wiederum die Zivilisation als politischer Kampfbegriff in einem „Clash of civilisations“ verwendet wird.
Wenn wir selbst unsere westliche Zivilisation kritisch betrachten, kritisieren wir meist den übertriebenen Materialismus und Funktionalismus, Nützlichkeitsdenken und übertriebene Technisierung, andererseits die große Kontrolle sowohl gesellschaftlich als auch in unserer eigenen Persönlichkeit im Sinne von rationalisierten, nicht spontanen Reaktionen im Gegensatz zu der - sicher romantisierenden - Vorstellung des „schönen Wilden“ im Sinne Rousseaus.
Der Titel der Ausstellung – „die Auflösung der Zivilisation in Wohlgefallen“, kann, sehr typisch für die Herangehensweise von Birgit Pec, ambivalent gelesen werden.
Einerseits kann es ein Postulat, quasi eine Zustandsbeschreibung sein: Unsere Zivilisation löst sich auf, und zwar in Wohlgefallen – eine „schöne neue Welt“ voll mit schönen perfekten Konsumgütern und Menschen, die zufrieden und unkritisch als höchstes Ziel sehen, immer mehr den Bildern aus der Werbung zu gleichen.
Andererseits kann „die Auflösung der Zivilisation in Wohlgefallen“ auch eine Prognose und Zielvorstellung, also auch eine Aufforderung zur Tat sein: nicht der „Clash of civilisations“, der gewaltsame Zusammenbruch, nein, auch ein Sich-Auflösen-in-Wohlgefallen, ein weicher Übergang, ein Über–Sich-Hinauswachsen ist denkbar und anstrebenswert. Doch dazu braucht es kreative Lösungen, ein freies Hinausdenken über politische Kategorien und zivilisatorische Prämissen hinweg - und vielleicht gerade den spielerischen Freiraum, den sich Birgit Pec schafft.
Sie wählt oft einen Weg des Anarchischen Aktionismus, wenn sie im öffentlichen Raum kleine Interventionen vornimmt, serielle Objekte installiert, damit rätselhafte Spuren hinterlässt oder auch, wenn sie Objekte oder ihre ausgedruckten großen Fotografien der Natur und ihren Prozessen aussetzt.
Von der Werbung kommend, langweilt sie die Fotografie als Medium des Abbildens, mit ihrer unzweideutige Realität im Bild, die keine Zweifel oder Unklarheiten offen lässt.
In ihren Arbeiten befördert sie bewusst den Zweifel, die Irritation.
Durch die Verfremdung und Überhöhung nähert sich die Miniaturwelt der Spielsachen der realen Welt an, die Unschärfe lässt dem Betrachter Spielraum für Assoziationen und eigene Deutungen diesseits und jenseits dieser Grenzlinie zwischen Realität und Schein. Das Kleine, Banale entwickelt heroischen Gestus oder bedrohliche Präsenz, die szenische Inszenierung befördert Dramatik, oft auch Ironie.
Bei den am Küchentisch inszenierten Dramen um Matchboxautos und Barbiepuppen spielen sich die Hilfsmittel wie Akrylfarbe, Folien oder Lichteffekte in den Vordergrund und erschaffen eine surreale Welt.
Doch wird die Satire wie so oft von der Wirklichkeit überholt – Birgit Pecs gruselig bemalten, überdimensionierten Barbiepuppen finden sich hier in Ried ums Eck als Blickfang für ein Modehaus wieder. Mir ist bis jetzt ein Rätsel, was die Zuständigen damit für eine Botschaft aussenden wollen.
Als Spielzeug des Schicksals, vielleicht auch der Mächtigen fühlen wir selbst uns manchmal. Birgit Pec zeigt mit ihren spielerischen Inszenierungen zu bestimmten Themen auf, wie man im ganz Kleinen Freiräume für kreative Impulse schaffen kann.
"Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet.‘‘ (Pablo Picasso)
Sigrid Kofler, Juni 2015