ist baum

Walter Holzinger, Ried und Hannelore Demel Lerchester, Linz

 

Beide verwenden den Baum als Ausgangsmaterial ihrer Arbeiten, Aus Tannenstämmen schafft Holzinger mit der Motorsäge organisch blattartige, raumgreifende Skulpturen, Demmel Lerchester arbeitet mit Früchten – einer bestimmten Art von Äpfeln, denen sie Gesichter gibt und deren Veränderungsprozess vom frischen Obst zur starren Hülle sie dokumentiert und sichtbar macht.

Beide haben gleichzeitig an der Kunstuni in Linz studiert und ihre Arbeiten ergänzen sich subtil.

Eröffnung Do, den 10.Juni 2010  bis 26. Juni

 

Einführung Sigrid Kofler

ist baum

Der Baum bildet verschiedene Arten von Geweben aus, im Stamm vor allem Stützende Fasern, er lagert Zellulose und Lignin in den Zellwänden der langgestreckten Zellen ein, um die Stabilität zu erhöhen, bildet Röhrenstrukturen aus für den Transport von Wasser und Nährstoffen zwischen Wurzeln und Krone.

In den Blättern, dem Grünen, sitzt der Motor – die Verdunstung von der großen Oberfläche als Wasserpumpe, die Photosynthese als Kraftwerk für die Energie, um Mineralisches aus dem Boden in Körpermasse zu verwandeln und auch um Samen und Früchte zu bilden.

Die Frucht umgibt die Samen, dient oft der besseren Verbreitung der Art, indem sie – schmackhaft - gerne gefressen und die Samen an topografisch anderer Stelle wieder ausgeschieden werden.

 

So besteht das Gewebe eines Apfels zu über 80 % aus Wasser.

Die Frucht atmet nach dem Pflücken weiter und verbraucht dabei Wasser, ein Schrumpfungsprozess beginnt..

Diesen macht sich Lore Demel Lerchster zunutze, Seit vielen Jahren arbeitet sie immer wieder mit Früchten, speziell mit Äpfeln, wobei das Prozessuale im Mittelpunkt ihrer Arbeiten steht.

Der Apfel ist in unseren Breiten die Frucht schlechthin -Die Wildform des Apfels haben schon die Pfahlbauer am Mondsee zu Most verarbeitet, die Babylonier preisen den Apfel als Heilmittel und spätestens die Römer haben den Apfelbaum und seine Kultivierungstechniken bis nach Großbritannien gebracht. Kein Wunder, dass er voller symbolischer Bezüge steckt, vor allem in den Bereichen der Sexualität, Fruchtbarkeit, Macht und Entscheidung.

Lore Demel Lerchster braucht all diese Bezüge vordergründig gar nicht - sie nimmt den Apfel ganz prosaisch als skulpturierbares Material. Sie zeigt, dass auch das Neue, die Frucht, das Zukunftsweisende, ein Ablaufdatum hat, ihre Gesichter, die altern, wirken subtil aber sehr direkt auf uns.

 

Walter Holzinger nimmt die harte Fraktion des Baums, das Holz, stellt Blätter damit dar. Er lässt sie schweben, sie wachsen aus der Wand, widersetzen sich wie im Natürlichen der Schwerkraft, er verfremdet in Größe, Material und durch die Farbgebung. Diese Verfremdung lässt sie trotzdem den Energieobjekten in der Natur in einem übersetzten Sinn entsprechen,

 

Beiden Künstlern ist die Textur, das Materialhafte wichtig, die Fasrigkeit des Holzes, die in den Raum hineinwirkt, die Zartheit des Apfelfruchtfleischs, absurd im Raum schwebende Schrumpfköpfe, so wie wir.

 

Ist Baum. Das hat mir zu denken gegeben, dieser Ausstellungstitel – diese lapidare Feststellung

 

Es drängen sich Fragen auf:

Was ist Baum

Was ist Leben

Was ist Kunst - zum Beispiel ?

 

Ist es das, worauf es wurzelt? Die Erde, die Geschichte, die Tradition, die Summe der Erfahrungen ?

Ist es das, was ihm Stabilität verleiht, das Holz, das Beharrende, Stabile, das Eingebettete in den Zeitgeist, das Umfeld und letztlich in Beziehungen?

Ist es das, was sich in die Zukunft trägt – die Frucht, der Same, die Kinder, das Erbe, das Werk?

 

Oder ist es vor allem der Moment, wenn sich die Blüten entfalten, der zündende Funke einer neuen Idee, das Rauschen der Blätter im Wind, das Zusammensein, das lebendig - flüchtig Momentane ?

 

Sigrid Kofler Juni 2010

 

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