spino-ataxie

Michael Sardelic, Ried, Fotoobjekte

 

Michael Sardelic zeigt  eine Serie von großformatigen mehrteiligen Inkjetprints. Fotoarbeiten, in denen er sich künstlerisch mit der fortschreitenden Erkrankung seiner Tochter auseinandersetzt. Ataxie bezeichnet ein Symptom, eine mangelnde Koordination, ein fehlerhaftes Zusammenspiel verschiedener Muskelgruppen bei der Ausführung von Bewegungen. Bei diesem Projekt hat sich der Künstler mit Hilfe der Fotografie auf eine Suche nach Stillstand durch das Festhalten von Zeitpunkten oder Einfrieren von Augenblicken begeben. Das fotografische Konservieren von Fähigkeiten, kurz bevor sie verloren gegangenen sind, beinhaltet symbolisch auch die Hoffnung, diese vielleicht irgend wann wieder reaktivieren zu können.

 

Weitere Arbeiten von Michael Sardelic aus der Serie „Layers“ sind gleichzeitig noch bis 17. Oktober im Museum Innviertler Volkskundehaus in Ried zu sehen.

 

Eröffnung am 1.10.2009  bis 31.10.2009

Einführung Sigrid Kofler

www.sardelic.at

 

 

Michael Sardelic, Fotograf, Kollege in der Künstlergilde, Stammgast unserer Galerie im 20gerhaus, - Pädagoge in Waldzell im Brotberuf, aber auch als Berufung, in Wien geboren, studierte er in Innsbruck, seit 1984 lebt er in Ried.

 

Zur Fotografie hat er schon früh gefunden – er begann mit 14 mit einer Art fotografischem Tagebuch, in schwarz – weiß, selbst in der Dunkelkammer entwickelt. Später kam die Fotomontage dazu, immer noch schwarz – weiß , händisch in der Dunkelkammer.. Dieses schneiden, herauslösen und kombinieren zieht sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit bis heute, ebenso der intellektuell – dokumentarische Ansatz, gesellschaftspolitisch relevante Themen mit dem Mittel der Fotografie zu bearbeiten.

 

In den letzten Jahren wählt er Themen, bei denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen im Mittelpunkt stehen - illustriert und ergänzt mit intimen Gegenständen, die ihre Lage, aber auch ihre menschliche Identität und Individualität ausdrücken.

Von diesen schwierigen Situationen distanzieren wir uns gern, Krankheit, Tod, psychisches Leid, wer wagt den ungeschminkten Blick, wenn er nicht muss?

Doch – jederzeit kann– irgendwann wird uns vielleicht Ähnliches widerfahren.

Hinschauen hat auch etwas mit Respekt zu tun –

 

Und ich freu mich besonders , dass Michael seine Arbeit spino – ataxie im 20gerhaus erstmals zeigt. Es ist eine sehr persönliche Arbeit, und ich nehme es als Kompliment, dass das 20gerhaus diesen persönlichen Rahmen bilden kann für eine Arbeit wie diese.

 

Verena, die Tochter von Eva und Michael Sardelic leidet seit ihrem 10. Lebensjahr an, spino – ataxie, eine seltene Krankheitsgruppe teils genetischer, teils unbekannter Ursache, bei der – meist durch Untergang von Nervenzellen - zunehmend die muskuläre Koordination und damit die Fähigkeiten des täglichen Lebens verloren gehen – wie Radfahren, Laufen, die Feinmotorik des sich Waschen und Schminkens, selbst zu essen, und so weiter...

 

Die Krankheit verläuft bei Verena in Schüben und Michael hat als Fotograf diese Stationen dokumentiert – dokumentieren heisst auch immer bewahren. „Suche nach Stillstand“ Einfrieren des Augenblicks. Es So traurig die Arbeit, nimmt sie sich aber auch die Freiheit , symbolisch den Weg in die umgekehrte Richtung zu denken und sie drückt die Hoffnung aus, alle diese Fähigkeiten wieder aufzugreifen zu können.

 

Künstler haben das Glück, dass ihnen mit der kreativen Arbeit ein Ventil offen steht, um aktiv mit Problemen arbeiten und sie damit ein Stück weit auch verarbeiten zu können.

 

Michael Sardelic geht in seinen Arbeiten hier sehr offen und direkt vor. Seine Offenheit habe ich auch persönlich an ihm immer mehr zu schätzen gelernt – er macht es einem leicht, über Schwieriges mit ihm zu reden.

Die dokumentarisch fast sezierende, forschende Art schafft Distanz. Bausätze, Bastelbögen, Spielanleitungen, die zur Aktion aufrufen. Im Falle der hier gezeigten Arbeit weisen sie vor allem auf die zunehmende Fremdbestimmtheit und Abhängigkeit im Leben von Verena hin, aber auch auf die Komplexität der motorischen Abläufe, die der gesunde Mensch so gedankenlos nebenbei erledigt.

 

Dieses spielerische Element in der Aufarbeitung vermittelt trotz allem der Arbeit spino – ataxie eine gewisse Leichtigkeit – denn - noch sind nicht alle Würfel gefallen.

 

Sigrid Kofler Oktober 2009