wir brauchen mehr spung !

 

lautet das diesjährige Motto der schon Tradition gewordenen Gemeinschaftsausstellung in der galerie20gerhaus in Ried. Wie jedes Jahr im Dezember beteiligen sich über zwanzig Künstlerinnen und Künstler der Region mit  Arbeiten zum jeweiligen Thema.

Mit Malerei, Grafik, Bildhauerei, Foto, Objekt, Keramik und vielem mehr zeigt die Ausstellung einen informativen Querschnitt des regionalen Kunstschaffens.

Die Eröffnung am Donnerstag, den 4. Dezember bereichern Albert Iglseder mit Worten, Günter Fessl und Sigrid Kofler mit Tönen zum Thema.

 

Einführung Albert Iglseder

 

KünstlerInnen: Hannelore Demel-Lerchster, Elisabeth Bernauer, Elisabeth Wimmer Röck, Sandra Lafenthaler, Veronica Branca-Masa, Edith Argauer, Georg Thuringer, Alexander Flotzinger, Eva Baker, Hans Polterauer, Sally Duncan, Natascha Stattmann, Barbara Kaiser, Monika Haider, Elisabeth Jungwirth, Andrea Hinterberger, Ingrid Wurzinger, Erich Plettenbacher, Eva Priller, Johanna Fessl, Sigrid Kofler, Thomas Wiederkehr, Heidi Zenz, Sepp Rems, Barbara Schiestl, Christine und Paul Osterberger. Michaela Weiser, Julia Csongrady

 

Einführung  ... WIR BRAUCHEN MEHR SPUNG

 

Vor uns liegt ein Satz, bei Sätzen sagt man sie stehen, sie stehen da. Hier steht also dieser Satz:        Wir brauchen mehr Spung.

 

Ich möchte folgendes vorweg schicken, als kurze persönliche Stellungnahme zum eigentlichen Thema:

Wenn wir ihn, diesen Satz, verstehen wollen, müssen wir denken.

Es ergibt sich die Notwendigkeit des Denkens,

das ist schmerzhaft.

Denken wird deshalb ja absichtlich oft  übergangen und ausgelassen am Weg zum Ziel des Verstehen, zur Erkenntnis.    

Wir alle erfassen Inhalte, Zusammenhänge und Bedeutungen lieber ohne denken oder gar nachdenken,  viel lieber intuitiv, ganzheitlich. Ich tue das auch. Ich halte das für richtig.

Alles was mich dann doch zum Denken bringt, ärgert mich deshalb.

 

Ich beschließe in solchen Fällen, in denen sich etwas mir aufdrängt, aus Trotz und mit großer Konzentration,nicht darüber nachzudenken.

 

Das gelingt nie. Wenn ich also über etwas dann doch nachdenke, geschieht das immer in einer Situation des persönlichen schon Gescheitertseins. Jedes Denken ist so schon im Moment des Anfangs eine schon tausendmal erlebte Niederlage.

Am Beginn jeder Überlegung steht diese Erniedrigung.

Lieber wäre uns, nicht zu denken, aber irgendwie - aus irgendeinem Grund tun wir es doch, besser: es vollzieht sich.

Wir sind dabei gar nicht das eigentliche Subjekt der Denkhandlung, viel mehr sind wir ein lärmendes Gefäß voller Aspekte, Emotionen, Assoziationen und Begriffe. Es denkt in uns. Es gärt, es bläht, es ist unangenehm.  Das Denken nimmt sich irgendeinen Raum, einen Raum, der nur ganz zufällig etwas ist das sich ICH nennt.

 

So auch hier, bei unserer heutigen -nicht selbstgewählten- Begegnung mit diesem undistanzierten Satz.

Wir brauchen mehr Spung

 

 Nun: Wer behauptet das?,

 Woher kommt dieser Notruf, diese Beschreibung eines Mangels.

 Oder leidet hier gar nicht jemand, sondern hat schon genug und möchte doch mehr haben, weil es ihm gefallen würde, mehr als genug zu haben?

Was immer uns begegnet, wie zum Beispiel dieser Satz ist natürlich eine Aufforderung zum Handeln. Was also soll ich als Leser dieses Satzes jetzt tun, angenommen ich möchte zu dem wohltuenden Zustand des „Genug und MehralsGenug Spung für alle“ beitragen? Wie Sätze so sind ist auch dieser seinen Anfängen entglitten, er ist über sie hinaus gewachsen, hat sich seine Bedeutung frei gewählt und ist uns allen hier, vor Tagen oder erst heute begegnet.

Das Werk übersteigt die Künstler. Es flieht. Deshalb ist es auch immer besser die Künstler schweigen zu ihrer Kunst. Selbst die Sätzeschreiber und Sprachkünstler haben zu ihren Produkten nichts zu sagen. Auch sie sollen das Fliehende nicht mit Worten festhalten.   Kunstwerke und Sätze sprechen selbst.

Und dieser Satz stellt uns allen natürlich eine Frage:

Wer, wer braucht mehr Spung?

Sollte in einem Land wie Österreich, dem angeblich siebtreichsten der Erde nicht genug Spung für alle da sein. Spung ist ja nun wirklich kein Luxusgut.

Hat die Regierung wieder versagt?

Hat die Zivilgesellschaft wieder einmal weggeschaut?

Kümmert sich hier jeder nur um sich selbst?

Wer sind denn jetzt wirklich die, die mehr Spung brauchen.

Ich habe zuvor noch nie von denen auch nur ein Wort gehört.

Der freche fordernde Ton, ohne jeden Kommentar, hat etwas jugendliches, hmm..     ...Wir brauchen..

Das „Wir“ zu dem ich mich zähle ist auf jeden fall eins das genug spung hat. Wir haben einfach genug spung. Diesen Umstand lasse ich mir auch nicht schlecht reden oder ein schlechtes Gewissen machen.

Unser „Wir“ hat sich was es hat redlich verdient.   Das „wir“ dieses „behaupteten“ mangels das ist ein „Wir“ der anderen.

Ich kenne die nicht.

 

Ich finde den knappen, unbescheidenen und vorwurfsvollen Ton auch nicht angebracht. Hier erklärt sich jemand nicht, wie soll ich ihn verstehen?

Und so, -da glaube ich für mich und mein „Wir“ also uns sprechen zu dürfen- bin ich / sind wir.. geneigt abzulehnen. Ich werde dem wir der anderen erwidern: von mir könnt ihr nichts verlangen und nichts erwarten, ich behalte meinen Spung.

 

 

Andererseits: Als Mann der Wissenschaft und Wirtschaft erkenne ich natürlich sofort die Möglichkeiten. In jeder Bedarfsäußerung -und sei sie auch unfein artikuliert-  zeigt sich Leistungsbereitschaft. Bedarf treibt und regelt den Markt, Leistung wird erbracht. Wahrscheinlich wird die Spungproduktion anspringen, Arbeitsplätze werden entstehen,

Familien werden ernährt, glückliche Konsumenten werden herrlichen Spung erwerben ..spung, spung jetzt für alle... ein Menschenrecht auf spung. Jeder sollte mit seiner Mindestsicherung in der Lage sein seinen persönlichen spungbedarf zu decken.

 

Hm, einen Satz den ich lese kann ich nicht mißverstehen.

Im Akt des Lesens meinerseits und des Gelesenwerdens seinerseits vollzieht sich etwas, das außerhalb meiner Verantwortung und den Kategorien einer Unterscheidung von richtig und falsch schwebt.

Das Lesen ist irgendwie das Dritte, die Synthese, der heilige Geist. Ja jedes einzelne Wort in einem Satz geschieht, es lebt nur im Vollzug, hat sein Ablaufdatum, ist wie Musik, verfällt, vergeht.

Es gibt keine Klarheit, keine Eindeutigkeit, nur die ständige

-für manche sogar lustvolle- Qual der Freiheit des Deutens und Bedeutens.

Jeder ist dabei einsam, niemand kann ihm raten. Kein zweiter wendet sich an ihn. Immer nur und immer wieder dieser kühle Wind und dieses „an-Sätze-Prallen“.

Die Begegnung mit Sätzen ist ein Ergriffenwerden, voller Unfreiwilligkeit und Zwang. Der Satz wählt mich, und das nicht einmal mit Bedacht. Er selber denkt ja nicht. Er berührt mich, ohne jeden Anstand. Er äußert seinen Willen, fragt nicht, ob es mir recht ist. Ihm kann ich mich nicht erklären, kann ihm nicht sagen wie das ist für mich mit ihm.

Es interessiert ihn nicht.

Sätze sind Terroristen, sie haben mit dem Wert der Selbstbestimmung des Menschen nichts am Hut.

Sie zerstören das wohltuende Schweigen in uns.

Deshalb, liebe Hörer, -ich danke für Ihre Aufmerksamkeit- ende ich jetzt und lasse sie allein mit den Fragen nach Herkunft und Wahrheit des Satzes:  Wir brauchen mehr Spung            ….“                      

 

Mag. Albert Iglseder Dezember 2014