Fotos der Vernissage

Fotocredit: Waltraud Frese

 

Einführung  Frese/Selinger

 

Wir sehen heute Arbeiten, die die Fotografie als Medium verwenden, trotzdem stelle ich ihnen die beiden Künstlerinnen nicht als Fotografinnen vor.

 

Waltraud Frese hat in Hamburg und Kassel studiert, hat über 30 Jahre lang Kunsterziehung am Gymnasium unterrichtet und lebt seit 2007 als freischaffende Künstlerin   in der Nähe von Frankfurt.

Sie ist eine sehr vielfältige Künstlerpersönlichkeit mit dem Schwerpunkt Objekt und Installation, wobei sie in allen ihren Projekten ihre Themen tief auslotet und immer wieder neue Materialien und Techniken, dem  Zweck entsprechend erkundet. Eins ihrer letzten Projekte waren Kleider und Objekte aus Papier, seit einigen Jahren beschäftigt sie sich mit der Lochkamerafotografie.

 

Anita Selinger ist in Vöcklabruck geboren, besuchte in Ried das Gymnasium. Mit dem Textilen als Werkstoff in Berührung gekommen gründete sie 1995 ihr eigenes Atelier, in dem Filzarbeiten, Kunst- und Modeobjekte entstanden. Gemeinsam mit dem Metallbildhauer Andreas Sagmeister hat sie 10 Jahre lang bis 2008 die Galerie „Kunst-Stück“ in Reichersberg betrieben, sie lebt und arbeitet in Raab und ist seit bald 20 Jahren Mitglied der Künstlergilde. Seit etwa 10 Jahren ist die Fotografie als ein Ausdrucksmittel dazugekommen.

 

Anita Selinger übertitelt ihre Arbeiten „Weiter-träumen“: sie wählt Bildausschnitte, in denen zB. Strukturen, vergrößert,  verfremdet, zu etwas ganz Anderem, nicht ganz Fassbarem  werden, so wie auch Traumbilder sich der Logik und Erklärbarkeit oft  entziehen. In „Weiterträumen: Grün“ setzt sich die Struktur des Bilds in dem umgebenden Metall-Nest in den Raum hinein fort, gleichzeitig werden die Bildinhalte der Serie immer reduzierter und abstrakter in ihrer Wirkung.

 In „Weiterträumen : rot“  sind die Bilder in einem Seriellen Objekt in Metallröhren montiert, sind es Fernrohre, Gucklöcher, Blick – Konzentratoren, ist es ein Traum – Archiv?

Ihre Bilder wollen die Wirklichkeit nicht abbilden, sie geht, wie auch in ihren Filzarbeiten, eher vor wie eine Malerin, die Zwischentöne in Farben, Flächen, Formen interessieren sie.

 

Waltraud Frese wiederum arbeitet mit Raum und Licht und nennt ihren Beitrag schatten_licht_übergänge. Auch sie sucht nicht das Abbild, sondern interessiert sich für den Prozess der Transformation  vom fotografischen Abbild  zu einem abstrahierten Bild.

Sie arbeitet mit den reduziertesten technischen Prozessen der Fotografie: Licht trifft durch ein Loch in  einem bestimmten Winkel auf ein lichtempfindliches Medium und wird entwickelt -  diese technische Seite wird Waltraud Frese etwas später gerne erklären.

 Natürlich  plant sie  diese Lochkamera-Fotos, darüber hinaus ist jede Aufnahme aber auch ein Experiment, gerade im öffentlichen Raum oft auch sehr improvisiert. Der Zufall darf mitspielen, das Licht selbst, als zentrales Element  im Gestaltungsprozess,  wandelt sich mit Tages- und Jahreszeit und ist nie dasselbe.

Sie erkundet Räume, einerseits bestimmte  Innenräume, andererseits urbane Architektur wie Plätze oder Brücken, gerade solche Durchgangssituationen interessieren sie.

Sie löst die gewohnte Perspektive des Betrachters  durch Überblendungen und Perspektivenwechsel auf.  Die Bilder scheinen in zeitlichem Fluss zu sein, Festgefügtes wird durchscheinend oder fragmentarisch, andererseits scheint sich das Licht selbst oft zu abstrakten Objekten zu materialisieren, die im Raum schweben. Manchmal scheint man auch einen Blick in eine ruinenhafte Vergangenheit  - oder apokalyptische Zukunft - zu werfen.

So unterschiedlich die Techniken und Herangehensweisen der beiden Künstlerinnen auch sind, beide finden in ihren Arbeiten  neue Welten jenseits der festgefügten Realität, die uns als Betrachter viel Spielraum zur eigenen Interpretation lassen, wenn wir uns die Zeit nehmen, darin einzutauchen.

 

(Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.
Albert Einstein, Einstein sagt)

 

Sigrid Kofler, April 2016

 

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