„real – irreal

Karl Grausgruber und Ingrid Wurzinger – Leitner  Linz.

 

Karl Grausgruber , der nach vielen Jahren der Tätigkeit in Ried nun in Linz wohnt, zeigt in seiner neuen Serie „photo-graphics“ stilistisch reduzierte Zeichnungen mit architektonischen Elementen. In Hinterglastechnik arbeitet er auf Plexiglas, in seinen Zeichnungen auf Transparentpapier verarbeitet er assoziativ Literatur und Textfragmente.

Die Transparenz und Leuchtkraft von Plexiglas ist auch in den Arbeiten der Linzerin Ingrid Wurzinger-Leitner zentrales Element, sie beschäftigt sich mit der uralten Technik des Kreuzstichs und setzt originale Mustervorlagen mit farbigem Draht zeitgemäß in ihren Objekten um.

 

Eröffnung: Do, 3.11. 2011 bis 26. 11.

 

Einführung Sigrid Kofler

 

Was ist real, was ist irreal?

Zu leben besteht aus einer Folge von Antworten, die wir auf das geben, was wir gelernt haben, als real wahrzunehmen, erst unser Bewusstsein setzt uns aber in die Lage, uns diese Frage real? Irreal? zu stellen.

Auch kulturell bestehen große Unterschiede in der Beurteilung dessen, was real ist. So sehen etwa östliche Religionen im Augenblick die einzige wahre Realität, andererseits schließen schamanistische Kulturen viel mehr in ihren alltäglichen Realitätsbegriff ein als wir.

In der abendländischen Kulturgeschichte wird die Frage, „was ist real?“ auf vielen Ebenen erörtert, in der Philosophie, der Erkenntnistheorie, der Wissenschaftstheorie, auch in der Quantenphysik zeigt sich das Problem von einer neuen Seite . Bis heute hat die Frage „was ist real“ sehr unterschiedliche Antworten gefunden –

Einerseits die der Solipsisten der Antike , dass jede Außenwelt nur ein Produkt unserer Wahrnehmung ist, ähnliche Positionen nahm später der Idealismus oder heute der radikale Konstruktivismus ein, der davon ausgeht, dass jede Wahrnehmung vollständig subjektiv, weil eine Konstruktion aus Sinneseindrücken und Gedächtnisleistungen, ist.

Die Gegenposition, die der Realisten, Positivisten, Rationalisten geht in verschiedener Ausprägung von einer realen Welt mit mehr oder weniger objektiv beschreibbaren Wirklichkeiten und Wahrheiten aus.

Gerade in der Kunst wurde und wird diese Debatte auch geführt, eignet sich doch gerade der Künstler/die Künstlerin die Wirklichkeit in besonderer Weise an, und trifft Aussagen über die Welt.

Der Künstler/die Künstlerin interpretiert, was er als real empfindet, reduziert, wählt zwangsläufig aus, macht, wie übersetzt  oder flüchtig auch immer, für Andere Ausschnitte seiner Realität sichtbar.

 

Real - irreal, diesen Titel haben Ingrid Wurzinger Leitner und Karl Grausgruber für diese Ausstellung gewählt.

 

Ingrid Wurzinger bedient sich der althergebrachten Technik des Kreuzstichs, eine Sticktechnik, die aus dem Orient zu uns kam und im Spätmittelalter und der Renaissance eine Blüte erlebte. Damals als Zeitvertreib höhergestellter Damen, fand der Kreuzstich in der Folge auch ins bäuerliche Kunsthandwerk Eingang.

Ingrid Wurzinger Leitner arbeitet viel mit traditionellen Mustern, Muster und Ornamente, die übrigens auch in der Teppichknüpferei oder als architektonische Gestaltungselemente verwendet werden und denen symbolische Bedeutungen innewohnen, wie all die Abwandlungen des Lebensbaumes oder Abwehr- und Schutzsymbole, die ihren Ursprung weit in vorchristlicher Zeit haben.

Sie führt uns diese verschwindende Kulturtechnik in ihren Objekten neu vor Augen, indem sie diese textile Sticktechnik durch Materialwahl und Größe verfremdet, sie stickt mit farbigem Draht auf Plexiglaskörper mit objekthaftem Charakter.

 

Karl Grausgruber arbeitet schon längere Zeit gern auf Plexiglas, in Hinterglastechnik, doch wo seine Arbeiten in der Vergangenheit gestischer waren, sind die neueren Bilder strenger konstruktiv und noch reduzierter.

Er nennt sie „Photo –Graphics“, imaginierte Fotos architektonisch interessanter Raumsituationen, die er grafisch reduziert umsetzt. Die entstehende Strenge löst er in manchen Bildern mit kleinen zeichnerischen Interventionen auf .

Daneben arbeitet er in seinen kleinformatigeren Zeichnungen auf Transparentpapier seit Jahren asssoziativ mit Literatur und Textfragmenten.

Die meisten Arbeiten dieser Ausstellung sind während eines gemeinsamen Arbeitsaufenthaltes in Pagliano bei Rom diesen Sommer entstanden, dieses Bild hier als Kombination und gemeinsame Arbeit.

 

Beide nützen die Materialeigenschaften des Plexiglases, seine Transparenz und Leuchtkraft, aber auch seine moderne, technische Ausstrahlung,

beide beschäftigen sich mit dem Menschen indirekt, über seine kulturellen Äußerungen – hier die Kreuzstichtechnik, dort die Architektur, hier mit den alten – vor-schriftlichen Symbolen , dort in der Auseinandersetzung mit Texten.

Beide ankern hier gewissermaßen im Begrifflichen und fügen Textfragment oder Worte als eigenständige Elemente ein.

 

Sigrid Kofler November 2011