März 2015

Wir laden Sie alle recht herzlich zum Besuch der Ausstellung zwei amerikas der Landshuter Malerin und Zeichnerin Christine Rieck Sonntag ein, die bis Samstag, den 28. März zu sehen ist.

 

Bei der Finissage am  Samstag, den 28. März um 11 Uhr wird der Münchner Lyriker Hans Krieger  Texte aus New York, Virginia und Costa Rica lesen.

Bei Kipferl und Kaffee, gemütlich, wie immer, im 20gerhaus.

 

 

zwei amerikas    Christine Rieck-Sonntag     März 2015

 

Berichte über fremde Länder gibt es bereits aus dem vorschriftlichen Bereich - denken wir an die Odyssee - doch war das Reisen lange Zeit an die Handelsrouten entlang der Küsten gebunden, ein Überqueren der großen Ozeane meist eine Reise ohne Wiederkehr. Erst die sogenannten Entdeckerfahrten brachten Kunde von jenem Kontinent nach Europa, der noch heute den Namen eines Eroberers trägt. Europäische Machtpolitik, Kolonialismus, Sklavenhandel und Immigration aus allen Erdteilen   – aus Hoffnung wie aus Not  - hat in Nord- wie in Lateinamerika unter unterschiedlichen Voraussetzungen völlig neue Kulturen geschaffen.

Die ersten Bilder des neuen Kontinents America, die in Europa große Verbreitung fanden,  waren von den Kupferstechern De Bry in den Niederlanden angefertigt, die die schriftlichen Aufzeichnungen der Reisen von Christoph Columbus oft mit viel Phantasie illustrierten. Schon bald fanden aber auch Künstler selbst den Weg in die neue Welt, wie etwa John White, dessen wunderbare Aquarelle schon im frühen 16. Jahrhundert das Leben der nordamerikanischen Indianer darstellen. Später brachte die Aufklärung systematische Forschung und Katalogisierung,  bis ins 20. JH wurde Europa immer wieder von Wellen des Interesses für das Exotische der Tropen in Lateinamerika einerseits, aber auch für die „Neue Welt“  Nordamerikas ergriffen.

Wir sind hier und heute in der phantastischen, privilegierten Lage, einfach und nicht  teuer andere Länder bereisen zu können, doch mit welchem Ziel?

Die täglichen Nachrichten spiegeln uns ja vor, die Welt zu kennen, sie besteht aus Krieg, Katastrophen und Gewalt, die Protagonisten Mörder, Betrüger oder bemitleidenswerte Opfer.

Dementsprechend kann man beim Reisen aus Angst und Scheu das Unvertraute aufs Minimum beschränken und außer einem Sonnenbrand und gesammelten Flugmeilen unbeeindruckt zurückkehren.

Die weite Welt mit ihrer Vielfalt und Schönheit und ihre Menschen in ihrer  Individualität zu sehen und wahrnehmen zu können und diese Eindrücke  in Bildern festhalten zu können ist eine wunderschöne Art zu reisen.

Zu reisen in diesem Sinn, wie das auch Christine Rieck Sonntag tut, in eine andere Kultur einzutauchen, genau hinzusehen, sich möglichst unvoreingenommen einzulassen auf einen Ort, seine Menschen, seine Fremdartigkeit, seine Schönheiten, aber auch seine Schattenseiten kennenzulernen, Anteil zu nehmen, sich zu engagieren in dem Rahmen, der einem jeweils möglich ist, verändert spiegelbildlich auch die Sicht auf die eigene Kultur, lässt einen selbst verändert zurück.

Diese Chance auf Begegnung, das Entwickeln von  Verständnis und Respekt  füreinander bietet vielleicht auch Chancen für globale Probleme, die wir nur lösen werden können, wenn wir uns als eine Menschenfamilie auf dieser Welt begreifen.

Wir freuen uns sehr, heute die Ausstellung  zwei amerikas im 20gerhaus zu Besuch zu haben, ich möchte Christine Rieck Sonntag kurz vorstellen:

Sie ist in Zwickau geboren und lebt seit den 70ger Jahren in Landshut. Sie wollte immer schon Malerin werden, wie viele Frauen ihrer Generation konnte sie diesen Weg erst später, in den 80ger Jahren nach dem Ende ihrer ersten Ehe gehen.

Sie ist ungeheuer produktiv, arbeitet sehr gern in großen Zyklen, hat ausser in Amerika auch in Malta und Bulgarien gearbeitet. Im Zentrum ihrer expressiven Arbeiten  steht fast immer der Mensch.

 

Sigrid Kofler, März 2015

 

Christine Rieck-Sonntag zu ihrer Arbeit:

Zum Malen brauche ich nicht unbedingt eine schöne weiße Leinwand, aber unbedingt einen Kick. Einen emotionalen Auslöser. Wenn ich z.B. unterwegs in einer Bar eine Szene beobachte, dann zuckt es in mir, dann zieh ich aus dem Rucksack den Tuschestift und einen Fetzen bemalter Leinwand und zeichne drüber, schwärze den Hintergrund und lasse die Frauen, die mich inspiriert haben, farbig aufleuchten aus dem Schwarz.

 Angefangen hat das mit diesen Rucksackbildern, als mir jemand vor der ersten Reise nach Südamerika erzählte, dort sei es zu feucht für Papier. Ich zerriß ein paar angefangene Bilder - und benütze seitdem diesen Untergrund zum Zeichnen und Überkleben mit Fundstücken unterwegs. Einiges davon ist Plastikmüll aus dem Pazifik. Dort habe ich mit Kollegen in einer internat. Künstlerkolonie am Strand Müll gesammelt. Wir wollten den Costa-Ricanern klar machen, wie schlimm diese Meeres-vermüllung ist. Klar geworden ist mir, daß es nicht an Manolo liegt, wenn er für die 3 alten Fernseher auf seinem Schlafzimmerschrank auf den nächsten Tropenregen wartet, auf das Anschwellen des Flußes,  um sie hineinzuwerfen. - Es gibt in ganz Costa Rica  Müllabfuhr nur im Botschaftsviertel.  

Auf der Straße gezeichnet habe ich schon länger. Auch die Tuschezeichnungen aus New York sind irgendwo auf Haustreppen oder am Straßenrand entstanden. Ganz oben in Harlem hinter der 136 Straße, wo sich kaum Touristen hinwagen,  habe ich viel Respekt, ja fast Freundschafts-Augenblicke erlebt, wenn ich die schwarzen Musiker zeichnete.  Neugier, Anerkennung, Nähe, einmal einen Kaugummi. Ganz einfach, ich kam nicht mit dem Fotoapparat bewaffnet.

Stark geregnet hatte es als ich von NY zurückkam, eine ganze Plakatwand hatte es heruntergewaschen. Dieses Orange der Eon-Plakate faszinierte mich, es erinnerte mich an NY. Nicht an Farben dort, an die Energieschwingung dieser Stadt. Und ich malte die Menschen, Augenblicks-begegnungen, die aber in mir hafteten, auf diese Plakatstücke. Mein Mann, der Lyriker Hans Krieger, mit dem ich diese eine Woche durch NY gerannt war um nur ja alles, alles aufzunehmen, er hatte Gedichte geschrieben - über die gleichen Szenen und Menschen - Sie können sie hören am letzten Samstag der Ausstellung, vormittags um 11 Uhr hier - oder lesen in unserem Buch „Blinzelblicke - ein Frühling in Manhattan“.

Für “ Zwei Amerikas“ hätte auch diese Stadt schon gereicht. Aber ich wollte den Urwald erleben, -  den anderen, den grünen Dschungel meine ich jetzt. Gemalt habe ich Urwald aber nicht nach den  Wanderungen in Costa Rica und Nicaragua. Erst zuhause als sich die Eindrücke gesetzt, geformt hatten,. konnte ich an ein Urwald-bild gehen.  Als ich spürte, wie die vielen Grüns in mir nachklangen, wenn der erste Sonnenstrahl nach dem Regen durchs Blätterdach bricht, wenn es noch tropft und glitzert. Wie Gelb durchs Grün flattert, wenn die Papageien sich auf die  leuchtende Bananenstaude stürzen. Acht Papageien heißt dieses Bild. Und es waren einmal acht bunte Papageien drauf, damit fing ich an zu malen, eigentlich zu kämpfen mit dem vielen Gelb und all den Grüns. Aber auch mit dem Gewirr dieser vielen Vögel und Blätter. Wo ist da Struktur, wo bekommt das Bild Spannung, einen Rhythmus --- irgendwann beim Malen geht es mir dann nur noch um Flächen, Senkrechte und Waagrechte, um Diagonalen, Achsen, die die Komposition bestimmen. Es geht um Farbabstufungen, es geht um Größe und Form der einzelnen Farbflecken. Ja es geht ganz handwerklich um formale Prinzipien. Es geht darum, ob das Bild stimmt, stimmig ist. So wie ein Orchester die einzelnen Stimmen integrieren, bündeln, manche wieder freilassen muß, um ein stimmiger Klangkörper zu werden. Es geht, wie in der Musik um laut und leise, um die Pausen und den Rhythmus.  Und als ich die Bananenblätter in einem stimmigen Rhythmus hatte - ja, da waren die Papageien fort. Und die Bananen auch, fast das ganze lästige Gelb war fort.

Sie meinen, das betrifft Sie als Betrachter nicht? O doch! Sie spüren den Rhythmus in einem Bild, die Harmonie der Farbverteilung - oder das bewußte Aufreißen hinein in die Disharmonie. Wir sind ja alle selbst gebaut aus klaren Strukturen, gefügt in genauer Gesetzmäßigkeit der menschlichen Körpermaße. Deshalb sehnen wir uns nach rhythmischer Schwingung, nach Musik, deshalb tanzen wir, deshalb reagieren wir sinnenhaft, sinnlich auf Stimmig oder Unstimmig, noch bevor wir darüber nachdenken. Wir spüren es an einem Bild - unabhängig vom Thema, ob es stimmt.

 

Christine Rieck-Sonntag, März 2015    

 

 

 

 

Da Hans Krieger krankheitshalber leider verhindert war, hat Christine Rieck-Sonntag seine Texte gelesen. Ein beeindruckender Ausklang der Ausstellung !